Kölner Stadt-Anzeiger
11.06.1997

Neuer Trend am Tresen

Die Dom-Brauerei reagiert mit ihrem Dom-Pils auf den Druck der bundesweiten Konkurrenz - Kölsch-Ausstoß bleibt rückläufig

Von unserem Redakteur
Willi Feldgen

Die Dom-Brauerei in Köln hat sich entschieden, neben der Stammsorte Kölsch nun - wie schon in früheren Jahrzehnten - auch ein eigenes Dom-Pils zu brauen, wie gestern berichtet wurde. Dom-Brauerei-Chef Jochen Köhler weist schon seit Jahren darauf hin, daß der Anteil des Pils-Konsums in Köln und Umgebung steigt: Das "verstärkte Vordringen überregionaler und bundesweiter Pilsmarken mit riesigen Werbeetats" sei die "eigentliche Gefahr für das Wachstums unseres Kölsch-Marktes", sagte Köhler jetzt bei der Präsentation seiner neuen Sorte.

Von einem "Wachstum des Kölsch-Marktes" kann nun wahrlich keine Rede mehr sein: Seit Jahren geht der Ausstoß der Kölsch-Brauereien zurück, und zwar mindestens in dem Maß, in dem auch die deutsche Bierproduktion insgesamt sinkt. Dabei bleiben die Konsumenten in der Kneipe ganz überwiegend dem Kölsch treu. Doch die Wirte merken seit geraumer Zeit, daß die allgemeine Wirtschaftsflaute sich auch bei ihnen negativ bemerkbar macht: Statt des teuren Faßbieres in der Kneipe trinken viele Konsumenten lieber preiswerteres Flaschenbier zuhause.

Bei der großen Auswahl an Bierspezialitäten im Handel entscheidet sich der neugierige und experimentierfreudige Kölner Biertrinker immer häufiger gegen den heimatlichen Kölsch-Trunk und für eine der vielen auswärtigen Sorten und Marken: Daß Warsteiner, Bitburger, Veltins oder Krombacher zudem in aller Regel auch noch billiger angeboten werden als die Kölner Spitzenmarken Früh, Gaffel und Reissdorf, fördert nicht gerade das Festhalten an den traditionellen Trinkgewohnheiten: "Fast jede zweite Flasche Bier, die in Köln gekauft wird, ist bereits ein Pils", sagt Köhler. Insofern ist die Entscheidung von Dom, als erste große Kölsch-Brauerei unter dem Namen der Hauptmarke auch ein Pils herzustellen, konsequent. Die Wettbewerber in Köln werden sicher aufmerksam verfolgen, ob es Dom damit gelingen wird, den großen deutschen Pils-Herstellern mit bundesweitem Vertrieb und riesigem Werbebudget auf dem Heimatmarkt Paroli zu bieten.

Vor rund 40 Jahren hatte Hans Sion, damals Verbandspräsident der Kölner Brauer, seine Mitglieder auf die obergärige Sorte Kölsch eingeschworen, und er sollte für lange Zeit recht behalten. Die Produktion anderer Biere spielt in Köln seit Jahrzehnten - anders als in der Zeit vor dem Krieg - nur noch eine untergeordnete Rolle. Kölsch legte wie im Rausch zu: In ihrem besten Jahr produzierten die Kölsch-Brauer 1990 rund 3,6 Millionen Hektoliter Bier - zehnmal mehr als 1960. Seitdem ging es stetig bergab. Nun soll sich das Blatt mit einer Abkehr von der reinen Kölsch-Philosophie wieder wenden: Die Entscheidung für ein Dom-Pils aus Köln ist ein deutliches Signal.